
Bildung
Bildungsgerechtigkeit beginnt bei der Haltung
Soziale Unterschiede sind keine Randerscheinung – sie betreffen viele Kinder direkt. Besonders im Bildungssystem zeigt sich: Wie gut Kinder lernen und erfolgreich sind, hängt stark von ihrer Herkunft ab. Trotz politischer Versprechen auf Chancengleichheit stoßen Kinder aus weniger privilegierten Familien oft auf unsichtbare Hürden. Veränderung beginnt nicht nur in der Politik – sie fängt bei der Haltung der Fachkräfte an. Genau hier setzt die Volkshochschule Hersfeld-Rotenburg (vhs) an.
Mit der neuen Fortbildung „Kinder (neu) verstehen – was sie prägt, was wir sehen, was wir fördern“ startet die vhs am 23. Oktober ein praxisnahes Angebot für pädagogisches Personal. Die zentrale Frage lautet: Wie können Fachkräfte Kinder jenseits von Vorurteilen sehen und fördern – ganz gleich, aus welchem Umfeld sie kommen?
Wie Herkunft Bildungschancen prägt
Forschung zeigt: Kinder aus Familien mit wenig Bildung oder knappen finanziellen Mitteln starten oft mit Nachteilen. Der sogenannte „Habitus“ – die durch Herkunft geprägten Denk- und Handlungsweisen – ist für viele Fachkräfte nicht leicht zu erkennen. Trotzdem beeinflusst er stark, wie Kinder wahrgenommen werden.
„Das Problem steckt nicht nur im System, sondern auch im Alltag. Wer nur das sieht, was dem eigenen Weltbild entspricht, grenzt unbewusst aus“, sagt Fabian Göbel, Leiter der vhs Hersfeld-Rotenburg.
Im Auftrag und mit Förderung
Die Fortbildung wird vom Fachdienst Kinder- und Jugendhilfe in Auftrag gegeben und aus Mitteln der Präventionsketten gefördert. Ziel ist es, Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen zu stärken – für mehr Gerechtigkeit und bessere Chancen für alle Kinder.
„Wir möchten Fachkräfte dabei unterstützen, Kinder nicht nur individuell, sondern auch im sozialen Kontext zu verstehen“, sagt Mareike Zielke vom Fachdienst Kinder- und Jugendhilfe des Landkreises. „Nur wer seine eigenen Wahrnehmungsfilter kennt, kann Kindern wirklich gerecht werden.“
Praxisnahe Professionalisierung
Die sechsteilige Fortbildung baut auf wissenschaftlichen Erkenntnissen auf, unter anderem der Bertelsmann Stiftung zum Thema (Re-)Produktion sozialer Ungleichheit in der Schule. Inhalte sind unter anderem: symbolische Gewalt, verschiedene Arten von Kapital, beispielsweise kulturell oder sozial, Milieutheorie und Sozioanalyse. Fachkräfte lernen, ihren eigenen Blick zu hinterfragen und neue Wahrnehmungsfähigkeiten zu entwickeln. Das Ziel ist, soziale Unterschiede nicht unreflektiert in Benachteiligung übersetzen.
„Es geht um mehr als Wissen – es geht um Haltung“, betont Tanja Krack, Diplom-Sozialpädagogin und Kursleiterin. In Modulen wie „Habitus verstehen – Kinder wahrnehmen lernen“ oder „Handlungsspielräume erweitern“ werden Theorie und Praxis eng verbunden. Die Fortbildung endet im April 2026 mit einem Modul zur Verstetigung, denn Veränderung braucht Kontinuität.
Ein Angebot mit gesellschaftlicher Relevanz
Mit dieser Fortbildung leistet die Volkshochschule Hersfeld-Rotenburg einen konkreten Beitrag zur Professionalisierung im Bildungsbereich – und zur Förderung von Bildungsgerechtigkeit. „Als kommunaler Weiterbildungsträger wollen wir Partner für Fachkräfte sein, die ihre pädagogische Praxis reflektieren und weiterentwickeln möchten“, so Göbel. „Wir möchten dazu beitragen, dass alle Kinder – egal woher sie kommen – gute Chancen auf Entwicklung haben.“ Die Fortbildung startet am 23. Oktober - Anmeldeschluss ist der 9. Oktober. Die Teilnahmegebühr beträgt 60 Euro.